6. Kapitel
Kasian studierte die ersten Berichte über den Einsatz. Er war für seine Verhältnisse früh aufgestanden und hatte den Einsatz verfolgt. Laut den ersten Meldungen hatten seine Angriffskommandos 10 Mann verloren. Die Ablenkungstruppen hatte es schwerer getroffen. Etwa 45 Soldaten waren gefallen. Zumeist durch die Schützen in den Bunkern. Aber dies war unvermeidlich gewesen. Sie hatten einen Täuschungsangriff starten müssen. Sonst wäre Wulf ihnen auf die Schliche gekommen.
Der Erfolg des Einsatzes war dennoch unverkennbar. Die Infrastruktur von Wulf lag am Boden, da war sich Kasian sicher. Vier wichtige Versorgungsgebäude und ein Depot vernichtet. Zwei oder drei Helikopter, wohl die Reste seiner kleinen Luftstreitmacht ausgeschaltet und im angeschlagenen Herz seines Reiches eine Unzahl an Drohnen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Reste von Wulfs kleinem Alpenreich ausgeweidet würden. Kasian hoffte nur, dass er den größten Brocken erwischen würde. Er hasste es den Handlangern von Hassan auch nur einen Quadratmeter in Europa abgeben zu müssen. Wulf war nur Machtgierig, aber Hassan hatte mehr im Sinn, das stand für Kasian fest. Sander betrat das Büro. „Sir, es kommt eine Nachricht herein.“ Kasian schaute auf und runzelte die Stirn. Sein Adjutant schien leicht nervös. Zwar war Sander noch jung, aber er würde einen hervorragenden Nachfolger abgeben, sollte sein Sohn diese Aufgabe nicht übernehmen. Es musste etwas wichtiges sein. Ansonsten würde sein so perfekt gekleideter Adjutant nicht nervös werden.
„Was haben wir denn Sander?“ fragte Kasian. „Sir, Wulf hat in seinem Territorium den Angriff auf seine Festung gemeldet.“ Kasian lächelte. „Nun verschweigen konnte er diesen großen Knall ja auch nicht.“ „Das stimmt, Sir. Aber er hat alle Getreuen zu einem generellen Krieg gegen uns aufgerufen. Er benutzte sogar diese alte Redewendung des ‚Totalen Krieges‘.“ Kasian schwieg einen Moment. „Kann er uns gefährden?“ Sander trat an die Konsole und rief eine Karte auf. „Sehen sie Sir. Hier treffen sich die Tunnels, welche von unserem Gebiet in ihre führen. Dort sind Truppen aufgezogen. Unsere Aufklärung hielt es nicht einmal für möglich, dass er noch so viele Soldaten aufbringen kann.“ Kasian studierte die Karte auf dem Bildschirm und rief dann eine Überwachungskamera auf. Sie zeigte einen Tunnel der im Grunde schon zu Wulf gehörte. Die Wunder der Spionagetechnik. „Dieser Wahnsinnige. Das sind keine Soldaten. Schauen sie Sander. Das sind treue Bürger der Bruderschaft, Wulf hat ihnen einfach Gewehre in die Hand gedrückt.“ Sander war sprachlos. Kasian brannte vor Wut. Soldaten in den Krieg zu schicken war eine Sache, aber Zivilisten mit einem Gewehr in den Tod zu hetzen eine Andere. „Ich will diesen Wahnsinnigen sprechen. Sofort!“
Die Rekruten waren zusammen mit den anderen Truppen zurückgekehrt. Man hatte ihnen befohlen sich auszuruhen, da eine weitere Aktion in den nächsten 24 Stunden geplant sei. Gregor und seine Kameraden bemerkten wie die Erschöpfung über sie kam. Nach der vielen Aufregung und dem Stress war dies die natürliche Reaktion des Körpers. Er verlangte nach Entspannung und Schlaf.
Sie gehorchten und legten sich nach einer kurzen Dusche sofort auf ihre Feldbetten. An ein Essen dachte niemand. Auch Terag legte sich auf sein Feldbett in der Ausbilderbaracke. Doch bei ihm wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Er stellte sich immer wieder die selben Fragen und fand darauf keine Antwort. Warum wurden sie bevorzugt behandelt. Seine Rekruten hatten bereits den ersten Kampfeinsatz hinter sich bevor sie ihre Ausbildung abgeschlossen hatte. Jemand schien ein besonderes Interesse an seinen Rekruten zu haben. Sicher, sie waren gut. Mehr noch, sie waren das Ergebnis einer besonderen Auslese, aber trotzdem war dies nicht die normale Vorgehensweise. Mangel an Soldaten bestand in Kasians Territorium auch nicht. Sie hatten zwar heute morgen eine große Anzahl an Leuten verloren, aber Kasian hatte genügend Reserven. Terag würde aufmerksam beobachten müssen um zu erfahren was dahinter steckte. Mit diesem Gedanken drehte er sich um und versuchte einzuschlafen. „Kasian, sie Hurensohn, was wollen sie noch von mir?“ Kasian lies ein kaltes Lächeln um seine Mundwinkel spielen. „Welch freundlich Begrüßung, Wulf. Ich denke wir sind uns über unsere Beziehungen im klaren. Und wir wissen beide, dass sie verloren haben.“ „Glauben sie wirklich ihr kleines Feuerwerk unten in meinem Keller hat mir geschadet? Nicht mehr lange und sie werden mir zu Füßen liegen. In Ketten und um Gnade winselnd,“ spie Wulf wütend aus. Kasian lächelte abermals. „Wie gesagt, wir wissen beiden wie es um sie steht. Ich empfehle ihnen diese Zivilisten zurück zu ziehen. Ein Massaker wäre das Schlimmste was der Bruderschaft passieren könnte.“ „Meine Heimwehr der Bruderschaft handelt nach eigenem Ermessen. Ich kann und will sie nicht aufhalten wenn sie ihre Heimat vor Aggressoren wie ihnen verteidigen wollen,“ antwortete Wulf. „Gut, versuchen wir es anders mein Lieber,“ begann Kasian, „sie ergeben sich innerhalb der nächsten fünf Stunden. Ihre Heimatwehr würde nie ohne ihren Befehl ausrücken, das weiß ich. Sie pfeifen diesen Pöbel zurück und retten damit das Leben dieser Brüder. Sie werden ein ruhiges Leben in meiner Organisation führen und die Bruderschaft wird in Europa wird wieder stark sein.“ Kasian wusste selbst, dass er darauf nicht eingehen würde. Aber er hoffte zumindest mit diesem Ultimatum den Angriff dieser lächerlichen Heimwehr aufzuschieben. Sie hatten keine Chance gegen seine Panzer und Kasian wollte ein Gemetzel unter Anhängern der Bruderschaft verhindern.
Kasian wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er das irre Lachen von Wulf hörte. „Ich ergebe mich nicht. Ihr Ultimatum wird mein Ultimatum sein. In fünf Stunden werden meine Anhänger sie überrenne!“ Damit unterbrach Wulf die Verbindung. Kasian ballte die Hand zur Faust und fluchte: „Bastard! Verfluchter irrer Bastard!“
In den nächsten 24 Stunden? Von wegen. Sie hatten zwei Stunden geschlafen. Gregor verfluchte seinen Vater. Was hatte er denn nun schon wieder für einen Konflikt angezettelt? In einer Stunde würden sie ausrücken. Ziel und Auftrag war bisher unbekannt. Terag hatte sie geweckt und sah zum ersten Mal selbst nicht sonderlich fit aus. Sie hatten sich in die Kantine begeben. Dort sammelten sich jetzt auch die anderen Rekruten. Die fluchten über Ausbildungseinheiten und diskutierten über verschiedene Waffengattungen, aber Gregor erkannte, dass sie bereits weiter waren. Der Kampfeinsatz hatte alles verändert. Nach einem kurzem Essen begaben sie sich wieder ins Waffendepot. Es kam was kommen musste. Sie wurden wie schon einmal an diesem Tag vollgestopft mit Waffen, Munition und HiTech. Die volle Kampfausrüstung eben.
Es dauerte keine zehn Minuten mehr, da saßen sie bereits wieder in einem BMT und näherten sich ihren Einsatzort. Erst jetzt übermittelte man ihnen ihren Auftrag. Terag überflog seinen Datenblock und runzelte kurz die Stirn. „Gut. Wir spielen wieder die Rückendeckung. Aber dieses Mal sind wir nur hundert Meter hinter den Angriffstruppen. Das wird kein Kommandoeinsatz wie heute Morgen. Das ist ein Frontalangriff. Der Chef will Wulf tot sehen. Wir greifen den Berg an. Sie sind geschwächt, könnten aber laut diesem Bericht neue Truppen herangezogen haben. Das wird ihnen im Übrigen aber wenig nützen. Natürlich werden sie sich im Berg verschanzen. Ein offener Kampf im Tal kommt in ihrer Lage nicht mehr in Frage.“ Terag schwieg kurz. „Ihr erinnert Euch an die Giftgas Drohnen? Das wird uns den Weg bahnen.“
Gregor schluckte hart. Er konnte sich lebhaft vorstellen wie die ganze Basis in den toxischen Dämpfen unterging. Terag schaute seinen Rekruten in die Augen. „Wir warten ab bis die Dämpfe abgezogen sind. Es wird nur wenig Widerstand geben. Dann übernehmen wir die Basis.“
Sie hatten den Rest des Weges geschwiegen. Keinem war danach zumute über irgend etwas zu reden. Alle hingen ihren Gedanken nach. Auch Terag. Er stellte sich zum hundertsten Mal, warum er schon wieder im Einsatz war. Seine Truppe hatte sich noch nicht mal erholt, da wurde sie wieder in den Kampf geschickt. Die restlichen Truppen für den Angriff waren bis auf wenige Ausnahmen aus frischen Reserven zusammen gestellt worden. Truppenaufstellungen wurden vom Oberkommando organisiert. Also lag das Interesse an seinen Rekruten im Führungskader um Kasian. Aber wem waren vier Rekruten so wichtig? Wer lies durch solche Einsätze aus naiven Rekruten in kurzer Zeit stahlharte Soldaten werden? Fragen, die sich Terag nicht beantworten konnte.
Kasian trank seinen brasilianischen Kaffee und genoss den herben Geschmack auf der Zunge. Er liebte Kaffe und gerade wenn er im Stress war, gönnte er sich einen dieser wertvollen Tassen. Es war nicht leicht, an solch guten Kaffee heran zu kommen. Im Grunde war es unmöglich überhaupt Kaffee zu bekommen, aber Unmöglich gab es für Kasian nicht. Sander stand an der Konsole und überwachte den Aufmarsch der Truppen. Zwei Generäle hatten sich ebenfalls eingefunden und diskutierten über den Verlauf der Operation. Kasian plante seine Einsätze ungern mit seinen Untergebenen. Nur Sander war immer als Ratgeber bei ihm, aber in diesem Fall musste er die wichtigsten Stellvertreter einladen. Sie waren in seiner Organisation zu mächtig um übergangen zu werden. Aus ihren Außenposten bezog Kasian die meisten Truppen um die zivilen Truppen von Wulf in Schach zu halten, also hatten sie auch das Recht, zu erfahren was vor sich ging. Politik musste man auch in der Bruderschaft zu spielen verstehen.
„Sir, die Truppen sind in Position,“ meldete Sander. Kasian nickte und stand auf. „Gut. Verbinden sie mich mit Wulf.“ Die Überraschung der beiden Generäle war ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie waren es nicht gewöhnt, dass man mit dem Feind erst ein Gespräch führte, bevor sie ihn vernichteten.
„Ah Kasian, haben sie sich entschlossen sich zu ergeben?“ Wulf grinste und in seinen Augen war etwas verrücktes. Kasian fragte sich wann Wulf diesen Zustand erreicht hatte. Es war erschreckend wie sich dieser Mann verändert hatte. Wulf war schon immer impulsiv und brutal vorgegangen. Aber nicht schizophren. Kasian vermutete einen Zusammenhang mit den vielen Niederlagen und dem Machtverlust. „Ach Wulf. Sie haben den Zorn Kanes auf sich gezogen und ich bin sein Vollstrecker!“
Mit diesen Worten trat Kasian an die Konsole und drückte zwei Tasten. Zuerst geschah nichts. Wulf starrte in den Bildschirm und wartete. Er wusste nicht wie ihm geschah bis eine Meldung irgendwo im Hintergrund erschien. Kasian konnte nicht erkennen wo Wulf sie ablas, aber er wurde leichenblass. „Sie hinterhältiger Drecksack,“ spie er aus, „Giftgas…“ Kasian lächelte kalt und nickte. „Kanes Zorn ist grausam.“
Wulf verzog das Gesicht zu einer wütenden Grimasse und schrie laut. „Oh nein! Mich kriegen sie nicht. Das Rabennest ist abgeschottet. Mich bringt ihr verdammtes Gas nicht um. Sie müssen mich schon holen!“ Dann wurde der Bildschirm kurz schwarz um dann wieder das taktische Schlachtfeld darzustellen. Sander fluchte. „Mist. Ein extra Bereich im Rabennest. Der Kerl ist noch paranoider als ich gedacht hatte.“ Kasian nickte und dachte laute nach. „Ja, damit haben wir nicht gerechnet. Hmmm … aber ich glaube das macht wenig Unterschied. In zehn Minuten wird die chemische Reaktion abgeschlossen und das Giftgas harmloser Dampf sein. Die wenigen Überlebenden der Basis werden sicherlich besseres zutun haben, als sich uns in den Weg zu stellen. Wulf entwischt uns nicht mehr.“
Sie warteten etwas länger als die empfohlenen zehn Minuten, dann führte der Major seine Truppe in den Tunnel. Man hatte sich nicht die Mühe gemacht das Tor zu sprengen. Das Loch des gestrigen Einsatzes war noch offen und so drangen sie schnell in die Basis ein. Was sie vorfanden war im Grunde zu erwarten gewesen. Überall lag das Personal und die Soldaten der Basis verstreut. Nur einmal trafen sie auf einen Techniker. Er hatte eine Atemmaske in seiner Nähe gehabt, ergab sich aber widerstandslos den Truppen. Der Major machte Meldung beim Oberkommando. Kasian selbst erschien auf dem kleinen Gefechtsdatenblock. Dem Major schwoll die Brust auf doppelten Umfang als er seine Meldung machte. „Sir. Die Basis im Berg ist gesichert. Bisher ein Überlebender.“ Kasian nickte. „Rücken sie zum Rabennest in der Bergspitze vor. Sie werden dort auf mehr Widerstand treffen!“ Der Major salutierte. „Sir, Ja, Sir!“
Wulf lief in seinem Kommandoraum auf und ab. Immer wieder stieg er über die Leiche seines Basisgenerals hinweg. Er hatte versagt und hatte dafür seine Belohnung erhalten. Wulf war außer sich vor Wut. Die letzten Meldungen die ihn erreichten sprachen von einem Totalverlust der Basis. Die Italiener nutzen dies ebenfalls aus. Außenposten überall in seinem Territorium wurden übernommen. Zumeist schlossen sich seine Untergebenen freiwillig anderen Fraktionen an. Verräter. Allesamt.
Nun war die Kommunikation zusammengebrochen und der Wille seiner Leute ebenso. Sie taten noch ihre Arbeit, aber wie lange noch? Dabei war er kurz vor dem Sieg gestanden. Die ersten Niederlagen in der Po-Ebene hatte er verschmerzen können, aber die letzten Angriffe auf seine Hauptbasis waren wie ein Todesurteil. Wurde erst die Hauptbasis angegriffen galt man als so gut wie Tod. Er sollte seine Heimwehr gegen Kasian schicken. Sie könnten noch den ersten Außenposten bei Obersdorf vernichten bevor sie geschlagen würden. Aber er konnte sie nicht mehr erreichen. Vermutlich schworen sie längst den Eid auf Kasian. Er fluchte lautstark, als die Stahltüre des Kommandobunkers durch eine laute Detonation ins Innere flog. Zwei seiner Untergebenen wurden von der Türe erschlagen. Nur einer seiner Offiziere eröffnete durch den Qualm das Feuer auf die Truppen vor der Türe. Seine Pistole hämmerte ein ganzes Magazin in den Türrahmen, bevor eine Gewehrsalve von außen ihn niederstreckte. Die restlichen Soldaten im Kommandobunker lagen flach auf dem Boden, ihre Pistolen weit von sich geworfen. Verräter, dachte Wulf und zog seine Pistole. Der Major wurde von einem Streifschuss erwischt. Irgend ein Fanatiker feuerte noch. Unglaublich im Grunde. Es mussten tatsächlich noch Anhänger von Wulf geben. Der Major staunte über solche Loyalität gegenüber einem Verrückten. Er hielt sich die Wunde und befahl seinen Leuten kurzen Prozess mit dem Idioten zu machen. Sein Adjutant gab eine Salve durch den Qualm ab und das Sperrfeuer des Idioten verstummte. Der Major nickte, hob aber die Hand. Es konnte eine Falle sein. Die Türe lag sehr exponiert, wenn sie nun einfach hinein stürmen würden, konnte das sehr blutig werden. Handgranaten kamen auch nicht in Frage. Die Kommandozentrale sollte möglichst unbeschädigt übernommen werden. Plötzlich hallten aus dem Kommandobunker drei Schüsse. Zwei schnell hintereinander abgefeuerte und ein Schuss folgte kurz darauf. Sie waren nicht auf die Truppen vor der Türe gerichtet.
Sander überflog den ersten Bericht des Majors vor Ort. „Sir, der Kommandobunker ist unter unserer Kontrolle.“ Kasian stand auf und trat an die Konsole. „Und Wulf?“ „Tja Sir. Laut dem Major hat sich Wulf das Leben genommen, Sir. Nicht ohne noch die Hälfte seines Stabes vorher mit sich zu nehmen.“ Kasian nickte säuerlich. „Überlebende des Stabes?“ „Zwei Adjutanten hatten offensichtlich genügend Grips und haben sich uns ergeben. Sie haben bereits die Treue auf sie geschworen.“ Kasian lächelte. „Geben sie dem Ranghöheren das Kommando über die Basis. Er soll sich um neues Personal kümmern. Solange stehen ihm die Invasionstruppen zur Verfügung. Der Major vor Ort wird seine Arbeit überwachen.“ Sander nickte langsam. „Wenn sie das für richtig halten, Sir.“
„Oh ja das tue ich. Man sollte solche neu gewonnene Loyalität doch belohnen. Meinen sie nicht?“ Kasian lies ein eisiges Lächeln um seinen Mund spielen.
Hassan beugte sich über seinen Bildschirm. Das konnte unmöglich wahr sein, Wulf war tot? Hassan drückte eine Taste und rief eine Europakarte auf. Das Cabal-Net aktualisierte Seite 79 stündlich Veränderungen der Machverhältnisse. Hassan verzog wütend sein Gesicht. Kasian hatte große Teile von Wulfs Territorium übernommen. Ihm hatten sich sogar einige kleine Gruppen in Frankreich angeschlossen. Leise murmelte Hassan: „Kasian beherrscht Europa. Verfluchter Dreckskerl.“
Damit änderte sich eine Menge. Bisher hatte er die verschiedenen Gruppen gegeneinander ausgespielt. Die Kämpfe waren immer vorteilhaft gewesen. Die GDI hatte die Kämpfe in Italien unterbinden müssen. Die Rivalitäten hatten alle Parteien geschwächt und hier in Kairo hatte er seine Macht weiter ausbauen können. Es hatte nicht mehr viel gefehlt und er wäre der alleinige Anführer der Bruderschaft geworden. Aber das hatte sich nun geändert. Kasian war ihm ebenbürtig geworden. Hassan ballte die Faust und zerschlug die Konsole vor sich. Hassan rief seinen Stab zusammen. „Kasian wird bald über ganz Europa herrschen, wenn wir nichts unternehmen.“ Ein General räusperte sich. „Sir, wollen sie ihn angreifen? Unsere Truppen scheinen ebenbürtig.“ Hassan lächelte. „Ich werde nicht ihn angreifen. Oh nein. Bisher stehen wir immer noch Neutral zu ihm. Ich will einen Brückenkopf in Europa. Einen Ort an dem wir unsere Truppen sammeln können ohne sie jedes Mal unter dem Mittelmeer durch zu schicken.“
Einer seiner Adjutanten wies auf eine Statistik. „Sir viele unsere Truppen sind noch in Kämpfe am Jordan verwickelt. Auch an den Nil Quellen gibt es Ärger. Wir können kein großes Angriffskontingent entsenden.“ Hassan hob die Hand. „Ich weiß selbst wie es um uns steht. Viele Splittergruppen versuchen unsere Macht zu brechen. Die Truppen bleiben wo sie sind.“ Er schwieg kurz, dann rief er eine Karte des Mittelmeeres auf. „Hannibal kam über die Meerenge von Gibraltar und wanderte bis vor Rom. Dann sollte es uns doch möglich sein an der Meerenge einen Brückenkopf zu schlagen.“
Der General runzelte die Stirn. „Das ist das Territorium von Hermandes. Er kontrolliert ganz Portugal und einige Gebiete in Spanien. Darunter auch Andalucia, die Küste an der Meerenge. Er pflegt eine enge Freundschaft mit Kasian.“ Hassan rieb sich die Hände. „Nun das stört uns wenig. Wir werden mit Schiffen übersetzten und an der Küste landen.“ Der Kopf des Generals ruckte hoch. „Mit Schiffen?“ Hassan runzelte die Stirn. „Sind sie so dumm oder tun sie nur so? Wir brauchen Panzer dort. Ein mobiles Baufahrzeug und genügend Truppen um die Küste zu halten. Wie soll das sonst von statten gehen als mit Schiffen? Mit kleinen Untergrund-BMTs? Oder sollen wir die GDI um ein paar CarryAlls bitten?“ Er schnaubte wütend. Im Grunde sollte er seinen Stab wieder ein wenig erneuern. Es gab offensichtlich einige Schwachköpfe, welche ausgesondert gehörten. Aber jetzt hatte die Planung der Invasion Vorrang. Über seinen Stab konnte er sich später Gedanken machen. Gregor zerrte an einer Leiche. Er hatte sich dreimal übergeben, bevor es geschafft hatte eine der Leichen zu dem Laster zu schaffen. Nun war sein Magen leer, aber er würgte immer wieder wenn sein Blick auf die Gesichter der Toten fiel. Sie hatten alle eine grünliche Farbe, die Augen waren aufgequollen und den meisten hing die Zunge dick und grünlich aus dem Mund. Gregor fragte sich was für ein Gift das gewesen sein mochte. Sein Magen rebellierte wieder und er spuckte Galle.
Sie arbeiteten schon sehr lange, aber immer noch schleppten er und seine Kameraden aus den Seitengängen neue Leichen. Die Basis war voll besetzt gewesen. Gregor schätzte die Besatzung ähnlich ein wie die Hauptbasis von Kasian. Mit dem Unterschied, dass hier die Stadt nicht integriert lag. Das Personal hatte trotzdem um die 300 Mann umfasst. Zumindest schätzte Gregor die Zahl aufgrund der vollen Ladenflächen der LKWs. Der neue Kommandant der Basis lies in mit einem unglaublichen Tempo alle Schäden beheben und er benutzte dafür alle verfügbaren Mittel. Nun da ihm wieder eine große Anzahl an Material zu Verfügung stand, waren die größten Schaden bald behoben und der Berg wieder sicher. Eine Alpenfestung, welche man nur mit schweren Geschützen knacken konnte.
Sie verbrachten noch zwei weitere Stunden damit, Leichen ein zu sammeln, bevor sie sich in der Kantine versammelten. Es fand eine informelle Lagebesprechung statt. Laut dem neuen Kommandanten des Rabennestes war fast das gesamte Territorium von Wulf an Kasian übergegangen. Der Jubel der Truppen war laut und donnernd. Sie alle wussten, dass sie nun dem Anführer der mächtigsten Gruppe in Europa dienten. Als der Jubel verebbte teilte der neue Kommandant die Truppen neu ein. Einen Teil der Invasionstruppen blieben als Besatzung im Berg. Die restliche Besatzung wurde von anderen Außenposten gestellt, welche einen Trupp entsannt hatten. Es musste kompliziert sein in so kurzer Zeit die Basis wieder voll in Betrieb zu nehmen, dachte Gregor, aber es schien als ob allein die Euphorie die Truppe zu Meisterleistungen beflügelte. Der Gedanke einer vereinten Bruderschaft in Europa schien Berge zu versetzen. Gregor und seine Kameraden wurden allerdings zur weiteren Ausbildung zurück beordert.